MFS Wachau erzählt
Die Tageserlebnisse eines Fahrgastschiffes.
Liebe Leser!
Wenn ich mich kurz vorstellen darf, mein Name ist „Wachau“. Meine Namensgebung erfolgte nach einem der schönsten Flussabschnitte der Donau. Ich bin ein Schiff, das im Jahre 1975 in der Schiffswerft Korneuburg das Licht der Welt erblickte. Ich war ein Wunschkind der ersten DDSG und ich war ein Luxusgeschöpf, denn kurz nach meiner Geburt, galt ich als eines der modernsten Ausflugsschiffe Europas. Schon auf der Helling sehnte ich mich nach meinem Element, dem Wasser. Ich freute mich auf das erste Mal, wenn meine Maschinen laufen werden und ich hinaus darf, um die blaugrauen Wellen der Donau kennen zu lernen.
Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Viel habe ich entlang des Stromes gesehen und erlebt. Landschaften und Feste ebenso, wie Lachen und Freude meiner Gäste und die Arbeitswelt meiner Besatzungen. Sie waren immer wie eine große Familie für mich und ich fühlte mich immer sehr geschmeichelt, wenn sie gerne mit mir zusammen waren. Wir legten viele Stromkilometer zurück und im Vertrauen gesagt, gefällt es mir in jenem Stromabschnitt, dessen Namen ich trage am besten. Wenn ich am Morgen mein Spiegelbild in den Wassern des Melker Donauarms betrachte, fühle ich mit Stolz, dass ich trotz meiner Jahre noch ein außerordentlich hübsches Schiff bin.
Wenn ich nun Ihre Neugierde geweckt habe und wenn Sie mich begleiten wollen, nehme ich Sie jetzt mit, auf einen Tag meines Schiffslebens. Ich werde Ihnen einige Stunden aus meiner Welt zeigen und ein bisschen etwas erzählen, über Landschaft und Geschichte in der Wachau und über meinen Alltag als stolzes Donauschiff.
Von Melk nach Spitz, Tour 1:
Die Morgenluft weht mir kühlend um die Nase, pardon, natürlich wollte ich sagen um meinen Bug. An meinem Liegeplatz ist es noch still, wenn die ersten Sonnenstrahlen die alten Bäume der Donauauen in einen goldenen Glanz tauchen. Ruhig und glatt ist das Altarmgewässer um meinen Liegeplatz, in dem vor mir eine Entenfamilie ihre Kreise zieht. Der nächtliche Tau mit seinen abertausenden Wassertropfen glänzt in den Strahlen der Morgensonne. Bis zum Zeitpunkt meiner Abfahrt um 11:00 Uhr ist noch viel Zeit und ich bekomme meine tägliche morgendliche Schönheitspflege. Meine Besatzung hält mich blitzsauber. Meine Decks werden gereinigt, meine Böden geschruppt und meine großen Panoramafenster gesäubert und poliert, um sie richtig zum Glänzen zu bringen.
Nach meiner morgendlichen Pflege habe ich noch Zeit, mich ein wenig auszuruhen bis meine gastronomische Besatzung an Bord kommt und damit beginnt meine Tische aufzudecken um meine hungrigen Gäste zu verwöhnen. Ich freue mich immer ganz besonders auf jene Tage, wo mich dabei hübsche braune Augen besonders freundlich ansehen und ich spüre in meiner Schiffsseele dass sie mich gerne verwöhnt und hübsch aussehen lässt. Morgendlicher Kaffeeduft steigt mir in meine Schiffsnase und wenn mein eigener Geschmack nicht voll auf Diesel eingestellt wäre, könnte ich mir vorstellen, dass mir ein ordentliches Frühstück schon gefallen könnte.
Eine halbe Stunde vor meiner Abfahrt suchen sich die ersten Passagiere einen netten Platz. Da es ein schöner Reisetag zu werden scheint, sind es rund 300 Fahrgäste, die mit mir mitfahren möchten um die herrliche Flusslandschaft zwischen Melk und Krems kennen zu lernen. Meine Freidecks sind inzwischen voll besetzt, als die letzten Nachzügler das Ufer entlanglaufen um mich noch zu erreichen.
Um 10:00 Uhr, eine Stunde vor meiner Abfahrt, wurde bereits der Hilfsdiesel gestartet und 10 Minuten vor meinem Ablegen erfolgt der Start meiner Hauptmaschinen. Mein Ruder sowie mein Bugstrahler und mein Funkgerät, sowie andere wichtige technische Dinge werden aktiviert, damit ich um 11:00 startklar bin.
Meine Abfahrtszeit ist gekommen und meine Leinen werden losgelassen, damit ich in voller Freiheit mein Element erleben darf. Damit mir nichts geschehen kann, meldet mein Kapitän am Funk, dass ich jetzt mit rückwärts laufenden Maschinen in den Hauptstrom fahre. Kurz darauf lege ich in Emmersdorf bei meiner ersten Station an. Ich nehme meine nächsten Passagiere auf, die mich auf meiner Reise Donau abwärts begleiten. Nachdem dies geschehen ist, dreht mein Kapitän meine Nase talwärts. Wir machen ein Rondo, um weiter in das Zentrum der Wachau zu gelangen.
Jetzt bin ich in meinem Element und kann die freie Fahrt bis zu meiner nächsten Station, Spitz an der Donau genießen. Vorbei geht es an Schloss und Kloster Schönbühel, die mich an meiner rechten Seite grüßen. Dies ist auch der erste Moment, wo sich mein Kapitän mehr konzentrieren muss, da in diesem Bereich zwei markante Felsen aus der Donau ragen, die für mich eine große Gefahr darstellen. Die Felsen werden laut geschichtlicher Überlieferung Kuh und Kalb genannt. Bei Stromkilometer 2027 liegen am linken Ufer Aggsbach Markt sowie am rechten Ufer Aggsbach Dorf mit seiner bekannten Kartause. Natürlich werfe ich auch einen Blick auf meine Steuerbordseite auf den 300 Meter hohen Felsenkopf zur Burgruine Aggstein im Dunkelsteinerwald. Wenig später passieren wir zu meiner linken Seite den Ort Willendorf, der durch seine Venusstatue aus der Steinzeit, die man im August 1908 bei Ausgrabungen fand, große Berühmtheit erreichte. Meine Fahrt geht vorbei an Schwallenbach und der Teufelsmauer und mein Blick fällt auf den Tausendeimerberg in Spitz. Bevor wir den Berg samt Ort erreichen sehe ich eine alte Freundin. Es ist das ehemalige DDSG Schiff „Austria“ das mir an meiner Backbordseite entgegen kommt. Wir begrüßen uns mit unseren Signalhörnern und unsere Passagiere winken sich freundlich zu. Rasch entfernt sich meine ehemalige Kollegin achteraus. Wir sind mittlerweile gleichauf mit dem Ort Spitz an der Donau, unsere Anlegestelle liegt Backbord voraus und mein Kapitän dreht mich in die Bergfahrt.
Da ich mich sehr jung gehalten habe, erreichte ich in meinem Übereifer die Station Spitz etwas zu früh und muss nun auf meine jüngere aber langsamere Kollegin, die „Prinz Eugen“ warten. Ich laviere mich an sie heran und frage sie: Wo bist Du so lange geblieben?
Sie antwortet mir ganz leise, dass sie zwar jünger sei, aber ihr Kapitän sei dafür reifer und zwinkert mir mit schelmischen Schiffsaugen zu.
Sobald meine Kollegin ausgewichen ist und der Passagierwechsel stattgefunden hat, setze ich meine Fahrt nach Dürnstein fort. Heute fühle ich mich wieder richtig wohl dabei und genieße das strahlende Sommerwetter. Ich gleite die Donau hinunter und rieche das duftende gastronomische Zauberspiel meiner Bordküche über das sich meine Fahrgäste jedes Mal bestens erfreuen. Während ich noch vertieft in den Welten des Geschmacks verweile, richtet sich mein Blick vorwärts und siehe da, ich treffe auf eine liebe alte Freundin aus den Tagen der Dampfschiffzeit. Sie ist ein Raddampfer und trägt den Namen „Schönbrunn“. Wie es bei zwei alten Bekannten üblich ist, begrüßen wir uns mit einem Pfeifkonzert und erinnern uns beide an die guten alten Zeiten.
Von Spitz nach Krems, Tour 1:
An meiner linken Seite sehe ich bereits die alte Wehrkirche Sankt Michael, die im Jahre 987 erstmals erwähnt wurde. Sie war die Hauptkirche der Karolinger in der Wachau. Der heutige Kirchenbau stammt aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts, er enthält jedoch viele ältere Bauteile, die teilweise aus dem 10. Jahrhundert stammen. Meine Reise führt mich weiter, die Donau abwärts. Ich fahre dem Ort Weißenkirchen entgegen, jenem Teil des Donautals das bereits in karolingischer Zeit als „WAHOWA“ genannt wurde. Seinen Namen erhielt der Ort nach dem kleinen weißen Turm der alten Wehrkirche.
Kurz vor der alten mittelalterlichen Stadt Dürnstein glaube ich meinen Schiffsaugen nicht zu trauen. Vor mir sehe ich das Kabinenschiff „Royal Crown“, das vor einiger Zeit noch den Namen „River Cloud“ trug zu Berg fahren. Ich fühle mich wie in einer Zeitreise, denn das erst 1996 erbaute Schiff spiegelt in seinem Aussehen und in seiner Ausstattung das Flair der 1930er Jahre wider. Viele Blicke richten sich auf das nostalgisch wirkende Schiff während mich mein Kapitän etwas konzentrierter als sonst durch die vor uns liegende Flussschleife manövriert. Vor der Anlegestelle Dürnstein führe ich erneut ein Rondo durch um meinen Bug in die Stromrichtung zu bringen. Während meiner Drehbewegung blicke ich auf ein einzigartiges Panorama. Die historische, teilweise noch mit einer Wehrmauer umgebene Stadt mit ihrem blauen in der Sonne strahlenden Kirchturm und der alten Burgruine zählt zu den bekanntesten Ausflugszielen. Berechtigterweise gilt Dürnstein als eines der sehenswertesten Orte der Wachau. Hier verlassen mich einige meiner Gäste um auf den Spuren von König Richard Löwenherz, der im Jahre 1193 hier gefangen war, die Stadt und ihr Umfeld zu entdecken.
Ich verlasse Dürnstein und meine Maschinen laufen rückwärts um kurz nach der Fähre Rossatz in die Talfahrt abzudrehen und meinen Weg nach Krems fortzusetzen und schon nach wenigen Minuten passiere ich die Orte Ober-, und Unterloiben am linken Donauufer. Um ein wenig Abwechslung in mein Blickfeld zu bekommen richte ich meine Aufmerksamkeit nach rechts, um das monumentale Bauwerk Stift Göttweig zu bewundern.
Bei all den vielen Sehenswürdigkeiten darf ich und mein Kapitän nicht vergessen vor der Straßenbrücke Mautern meinen Kamin hydraulisch umzulegen. Bei höherem Wasserstand dürfen wir auch auf mein Steuerhaus nicht vergessen, damit ich mir keine Beulen an der alten Eisenbrücke hole. Etwas unterhalb grüßen die beiden Kirchen des Stadtteiles Stein an der Donau und ich kann mich wieder zu meiner vollen Höhe aufrichten um mit vollem Stolz die Station Krems anzulaufen. Bevor ich in Krems anlege richtet mein Kapitän meine Nase in die Stromrichtung und dreht mich in die Bergfahrt um kurz darauf an der Anlegestelle festzumachen. Jetzt habe ich meinen östlichsten Punkt meiner heutigen Reise erreicht. Hier verlassen mich die meisten meiner Fahrgäste um den neu zusteigenden Besuchern Platz zu machen. Nach einer kurzen Verschnaufpause von circa 10 Minuten trete ich meine Reise zurück nach Melk an.
Von Krems nach Melk, Tour 1:
Punkt 13:00 Uhr ist es so weit, wir legen ab und meine Maschinen laufen mit voller Kraft voraus. Ich bin in meinem Element und es macht enormen Spaß mit meinem Bug die Wellen der Donau zu teilen. Meine neuen Gäste beginnen sich mit den kulinarischen Freuden meiner Bordküche näher auseinanderzusetzen und greifen auch gerne nach dem einen oder anderem Glase mit herrlichem Wein aus der Wachau. Wieder muss ich mich vor der alten Brücke die Stein mit Mautern verbindet ein wenig verneigen, während meine Gäste am Sonnendeck die Aussicht und die Ruhe genießen.
In meinem Übereifer bei der Talfahrt, habe ich doch einige Dinge vergessen, die ich erwähnen sollte. So zum Beispiel die kleine Motorfähre zwischen Rossatz und Dürnstein, die Radfahrer und Wanderer von einem Ufer der Donau zum anderen befördert. Weiter Stromaufwärts, in Weißenkirchen und Spitz queren ebenfalls Fähren die Donau, die im Gegensatz zu Dürnstein nicht mit einem Motor betrieben werden, sondern auf einem Querseil durch Ruderbewegung und dadurch entstehenden Wasserdruck angetrieben werden. Sie sind um einiges größer, wodurch auch Autos befördert werden können. Diese Fahrzeuge nennt man Seil- oder Rollfähren.
Wenn ich in Spitz meine Blicke nochmals herumschweifen lasse, fallen diese auf die Ruine Hinterhaus und ein weiteres Mal auf den Tausendeimerberg, dem Zentrum das Ortes, der laut Überlieferung einen jährlichen Ertrag von eintausend Eimern Wein erbrachte, wobei ein Eimer einer Größenordnung von 57 Litern entsprach. Bei diesem Anblick fällt mir ein, was mir ein alter Winzer einst erzählte: Die Charakteristik des Weinbaus in der Wachau ist die terrassenförmige Ausrichtung der Weingärten. Der hohe Aufwand bei der Anlegung und Bewirtschaftung der Terrassen wird dadurch wettgemacht, dass der Wein eine bessere Note erreicht.
In den letzten Jahren sehe ich vermehrt nicht sehr schöne Mauern entlang der Ufer entstehen, die dem Hochwasserschutz dienen sollen. Ich muss aber dazu erwähnen, dass diese Schutzmauern aus gutem Grund gebaut werden, um das Hab und Gut sowie das Leben der Menschen zu schützen. In der Zwischenzeit habe ich wieder einige Stromkilometer zurückgelegt. Ich habe Schönbühel achteraus gelassen und nähere mich wieder meiner Ausgangsstation Melk, wo ich eine kurze Erholungspause genießen kann.
Von Melk nach Spitz und von Spitz nach Melk, Tour 2:
Jetzt, wo ich wieder Ausgeruht bin, werden meine Seile wieder losgelassen. Ich breche um 16:15 zu meiner zweiten aber kürzeren Tour für diesen Tag auf, um erholungsbedürftige Radfahrer nach Spitz zu bringen. Bei meiner Talfahrt sehe ich links und rechts an den Ufern ebenfalls Radfahrer, die jedoch noch genug Energie haben, um selbst die Donau entlang zu fahren. Bei meiner Talfahrt treffe ich auf einige Frachtschiffe aus verschiedenen Donauländern, die schwer beladen zu Berg fahren. Auch einige Motorboote vergnügen sich auf den Wellen meines Kielwassers. Um das Gemüt meines Kapitäns ein wenig zu reizen, sind heute auch mehrere Schlauchbootfahrer unterwegs, von denen manche sehr beharrlich vor meiner Nase herumfahren.
Das letzte Mal für heute lege ich nun in Spitz an und lasse meine wieder zu Kräften gekommenen Radfahrer aussteigen. Meine mit Sehnsucht erwartete Kollegin, die „Prinz Eugen“ erreicht von Krems kommend soeben die Anlegestelle. Um den Ponton frei zu geben, mache ich aus Höflichkeit (Fahrplanmäßig) einen dienstlichen Seitensprung (Ausweichmanöver) und die „Prinz Eugen“ kann ihren Passagieraustausch durchführen. Nachdem meine Kollegin abgelegt hat, fahre ich nochmals an die Station, um meine Passagiere die mich in Richtung Melk begleiten wollen an Bord zu nehmen.
Meine Abfahrtszeit ist gekommen, ich lasse Spitz hinter mir und fahre gemütlich zurück zu meinem heutigen Reiseausgangspunkt und Nächtigungsplatz, dem Melker Altarm. Bei meiner Bergfahrt erblicke ich an den Donaustränden viele Badegäste, die mit Freude auf meine Wellen warten. Diesen Wunsch erfülle ich doch vom Herzen gerne.
Auf meiner heutigen Reise hat mein Kapitän aber noch etwas ganz besonderes vor, denn Wolfgang unser Koch, soll heute nach alter Donauschiffertradition einer Donautaufe unterzogen werden. Aus diesem Grunde wird er mit dem nassen Element einen ganz besonderen Kontakt bekommen, denn wenn sich ein Eimer voll Flusswasser über ihn ergießen wird, ist Wolfgang kein Neuling mehr, sondern ein waschechter Donauschiffer. Kurz nach diesem spielerischen Badevergnügen und einige Stromkilometer weiter, lege ich leicht ermüdet, wie auch mein Kapitän, am Melker Ponton an und wir verabschieden unsere letzten Gäste.
Im Anschluss werden alle meine kleineren und größeren Verschmutzungen von meiner Besatzung mit den Streicheleinheiten des Besens beseitigt, wonach ich mich gleich um einiges wohler fühle. Um mir eine bessere Nachtruhe und Erholung zu verschaffen, schaltet mein Kapitän viele meiner Instrumente und Geräte ab und mein Maschinist versorgt mich durch Anschluss des Landstromes mit Energie. Meine Maschinen werden abgestellt und wir wünschen uns alle eine gute Nacht, um uns am nächsten Morgen mit neuer Frische zu begrüßen.
PS.: Sollte Ihnen meine Geschichte gefallen haben, und ihre Neugierde geweckt sein, um mich und meine tolle Besatzung persönlich kennen zu lernen, dann würde ich mich über Ihren Besuch sehr freuen.
Vom ganzen Schiffsherzen, Ihre MFS Wachau! (2011)